Nicht der Graffitikünstler ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er künstlerisch tätig ist

Frei nach Rosa von Praunheims Schwulenfilmtitel kann man auch eine Pauschalisierung der Politik in Zusammenhang mit Graffitiwriting in diesen Zeiten nur noch als absolut lächerlich bezeichnen. Hier wird gerne ein einseitiges Bild gezeichnet in dem sich die Graffitikünstler und solche die es werden wollen gerne als störendes Element in einer gelernten Ästhetisierung wiederfinden sollen, die da lautet, alles muss ornamental frei, sauber und ordentlich sein.

Gerne fallen in diesem Zusammenhang mit Graffiti Argumente wie „Menschen fühlen sich in der Umgebung unruhiger Flächen unsicher usw. „Ist das im Wald und in der Natur dann genauso? Oder, wenn der Werbetrailer läuft, zucken dann die Menschen vor dem TV aus Angst und ungutem Grundgefühl zusammen?”, möchte man da fragen. Sucht man hier nicht schon seit 40 Jahren ständig neue fadenscheinige Gründe um der Freiheit des Geistes Einhalt zu gebieten? Warum handelt man im Zusammenhang mit Werbung im öffentlichen Raum nicht genauso? Einzig des Geldes wegen?

Die Modeindustrie, Buchverlage und auch Hochschulen haben begriffen, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Unterbinden kann man die Wahrnehmung von Graffitikunst nur noch durch ein komplettes Überwachen des öffentlichen Raumes.

Unter einem perfiden Angstgedanken vor vermeintlichem Terrorismus wird darauf anscheinend gerade hingearbeitet.

Im Gegenzug erscheint mir doch aber eher die Staatengemeinschaft in ihrer Fürsorge um saubere Flächen seit locker 40 Jahren eher nicht die Zeichen der Zeit (und Ihrer Bürger) erkannt zu haben.

Ja, vielleicht nicht all Ihrer Bürger, wird da ein Einwurf kommen, aber doch einen nicht unerheblichen, möchte ich da entgegensetzen. Leider dürften nur staatliche/private Verfolgungsinstitute genauen Einblick über die Menge der Urheber haben, aber auch hier könnte „das Netz” (war das nicht auch eine westdeutsche Schwarzweiss-Krimiserie der sechziger?) einen medialen Massenhype aufzeigen.

Wieso muss man eigentlich durch Aufzeigen einer Menge von Befürwortern einer Sache der Staatsführung eine Stärke symbolisieren?

Foto: © Karl Schmitt, Bauzaun am Römer in Frankfurt, ca. 1980.